HERKUNFT

Faszination
reichsstädtische
Geschichte

Die längste Epoche der Geschichte von Mühlhausen war die der Reichsstadt bis 1802. Die Anfänge reichen weit zurück und sind bis heute Forschungsgegenstand. Insbesondere eine Folge von Ereignissen im Jahr 1251 stellen nach aktuellen Erkenntnissen eine entscheidende Wegmarke dar, die im Laufe der Zeit aus der städtischen Wahrnehmung gerückt sind und erneut an Bedeutung gewinnen.

Bei der im Jahr 967 zuerst erwähnten Pfalz entstand im 12. Jahrhundert eine Stadt auf Reichsgut. Sie unterstand dem König als Grundherrn und Vogt unmittelbar – beste Voraussetzungen, um die städtische Entwicklung und wirtschaftliche Prosperität zu fördern, wovon das Stadtbild Mühlhausens noch heute zeugt. Diese Stadt des Königs wurde aber erst zu einer Stadt des Reiches, als sich die Bürgerschaft im 13. Jahrhundert aus der direkten Herrschaft des Königs löste, Freiheitsrechte erwarb, die Stadtherrschaft selbstständig organisierte und Mühlhausen auf lange Sicht von einem Besitzrecht des Königs zueinem Glied der Reichsverfassung machte. Doch war all das schon in einer frühen Phase in größter Gefahr. Nach neueren Forschungen kommt einem folgenschweren, lange jedoch fast vergessenen Ereignis Mitte des 13. Jahrhunderts entscheidende Bedeutung im Werden der Reichsstadt Mühlhausen zu: Die erfolgreiche Abwehr eines Eroberungsversuchs vom 7. April 1251, dem Freitag vor Palmsonntag, sicherte Mühlhausens Verbleib bei König und Reich, ermöglichte zukunftsträchtige Reformen der Verfassung im Inneren und prägte die Erinnerung der Reichsstadt jahrhundertelang bis zur Reformation.

7. April 1251

Kampf um die Stadttore 1251

Am Freitag vor Palmsonntag des Jahres 1251 versuchten adelige Herren die Stadt Mühlhausen zu erobern. Auf Getreidewagen verborgen war eine Vorhut eingedrungen und hatte Stadttore besetzt, um die Hauptstreitmacht einzulassen. Die Bürger der Stadt waren aber wachsam und riefen mit Glockengeläut zu den Waffen. Sie trieben die Angreifer in die Flucht, die 13 Erschlagene zurücklassen mussten. Die Toten wurden in einem Graben verscharrt. Der Sieg bewahrte Mühlhausen vor Fremdherrschaft. Zum Dank wurden der Bürgerschaft vom König als Stadtherrn Freiheitsrechte privilegiert. Der Weg war geebnet, um danach die Stadtverfassung insgesamt zu reformieren und eine städtische Selbstverwaltung durchzusetzen. Der Rat regierte fortan für den König die Stadt. Als so verfasste Reichsstadt bestand Mühlhausen bis 1802, als preußische Truppen durch die Stadttore einzogen und ein neues Kapitel der Stadtgeschichte begann.

„Man muss heute von anderswo nach Mühlhausen kommen, um sich ein Bild von einer mittelalterlichen Reichsstadt zu machen.“

Dr. Helge Wittmann / Stadtarchivar
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7. April 1251, Freitag vor Palmsonntag 

militares viri contra regiam villam Molhusen conspirantes („Kriegsleute hatten sich gegen die Königsstadt Mühlhausen verschworen“)
Die Erfurter Peterschronik berichtet über den Angriff auf Mühlhausen, die Verteidigung durch die Bürger und die Stiftung der Großen Spende.
SLUB Dresden / Digitale Sammlungen / Mscr.Dresd.K.316

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7. April 1251, Freitag vor Palmsonntag 

portas civitatis nitebantur occupare („sie versuchten, Stadttore zu besetzen“)
Der Kampf gegen die heimlich eingedrungenen Angreifer muss am Felchtaer Tor ausgefochten worden sein. 1837 wurde es abgerissen.
© Deutscher Historischer Städteatlas. Bd. 6: Mühlhausen, IStG Münster

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7. April 1251, Freitag vor Palmsonntag

D. ERVAREN DI BURGERE UND SLUGE ZU WID. US („Das erfuhren die Bürger und schlugen sie wieder hinaus“)
Die Steinerne Chronik am Nordportal von St. Marien erinnert seit dem 14. Jahrhundert an den Sieg der Bürger an jenem schicksalhaften Tag.
Foto: Christian Habel

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August 1251

iuxta devotas supplicaciones eorundem civium duximus („gemäß den ehrfürchtigen Bitten jener Bürger bestimmten wir”)
Aus Dank für die Verteidigung der Stadt garantierte König Konrad IV. Mühlhausens Rang als Reichsbesitz und privilegierte die Bürgerschaft mit Freiheitsrechten.
StadtA Mühlhausen, 0/18

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August 1251

officia civitatis in ipsorum manibus relinquenda („die städtischen Ämter in ihren Händen zu belassen“)
Den Bürgern verlieh der König auf Zeit Gericht, Zoll und Münze, um mit den Einnahmen die Stadtmauer zu vollenden. Daraus entwickelte sich eine städtische Selbstverwaltung von Dauer.
StadtA Mühlhausen, 0/19

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14. Dezember 1251

Acta in presencia consulum civitatis Mulehusen („Geschehen in Gegenwart der Ratsherren der Stadt Mühlhausen“)
Erstmals legitimierte der Rat einen Rechtsakt bei Einrichtung des Beurenhofs. Als Vertretungsorgan der gesamten Bürgerschaft betrieb der Rat den Wandel Mühlhausens zur Reichsstadt.
Foto: Christian Habel

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22. März 1252, Freitag vor Palmsonntag

ut per hoc habeatur perennis recordacio („dass dadurch eine ewige Erinnerung bewahrt werde“)
Am Jahrestag des Sieges stifteten die Bürger eine Armenspende als religiöses Stadtfest. Immerwährend sollte an die in Gemeinschaft überwundene Gefahr erinnert werden.
StadtA Mühlhausen, 0/21

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22. März 1252, Freitag vor Palmsonntag

de eiusdem molendini elemosine consolacionesque pauperibus inpendantur („von dieser Mühle werden die Trost- und Almosengaben aufgewendet“)
Die Einnahmen der Mühle am Entenbühl wurden für die Armenspende genutzt. Das später erneuerte Bauwerk ist heute verschwunden.
StadtA Mühlhausen, 641/3, Nr. 13 (Foto: Otto Schulz, um 1900)

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1253 bis 1552, Freitag vor Palmsonntag

Daher von E. E. Rathe zum Gedächtniß auf Freitag vor Palmarum eine Spende geordnet, jährlich im Spendegraben zu geben
Noch der Chronist Thomas wusste 1727, dass am heutigen Lindenbühl die Armenspeisung zur Erinnerung an den Sieg von 1251 abgehalten wurde.
Historische Aufnahme: StadtA Mühlhausen, 643/3, Nr. 50; Neuaufnahme: Christian Habel

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1253 bis 1552, Freitag vor Palmsonntag

Zwischen dem Felchtaer Thor und dem Neu Pforten Thore ist der Spendegraben, genennent, weil allda eine Spende ist gehalten worden, da jeder Person ein Brot und ein Häring gegeben worden
Der Spendegraben als Teil der Stadtbefestigung wurde bis
1897 verfüllt.
Historische Aufnahme: StadtA Mühlhausen, 643/3, Nr. 15/1; Neuaufnahme: Christian Habel

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1500, Freitag vor Palmsonntag

Ad Stipam („Für die Spende“)
Die Jahresrechnungen der Stadt verzeichnen einzeln die Ausgaben für die Große Spende. Die Kosten für Armenspeisung und Prozession trug die Stadtkasse. Um 1500 war die Tradition ungebrochen, der Ursprung aber weitgehend vergessen.
StadtA Mühlhausen, 2000/18

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vor dem 8. April 1552, Freitag vor Palmsonntag

dieweil auch manch undankbarer Mensch der Almosen ohne Danksagung Gottes nimmt, ist von den 8-Mann für gut erachtet worden, eine solche gemeine Spenda nachzulassen
In der Frühreformation erzwang der Bürgerausschuss der Achtmänner das Ende der Großen Spende.
StadtA Mühlhausen, 61/14

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vor dem 18. März 1524, Freitag vor Palmsonntag

Die spende soll dis Jars underpleiben
Im wieder katholisch gewordenen Mühlhausen lebte die Große Spende ab 1548 nochmals auf. 1552 setzte sie der Rat aus. Sie wurde nie wieder eingeführt.
In der Reichsstadt schwand die Erinnerung an die Anfänge von 1251.
StadtA Mühlhausen, 10/T 1-4, Nr. 3

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